„Schizophrenie“ darf man vergessen
Das OLG Stuttgart (NJW 2012, 2526) hatte über folgenden Fall zu entscheiden:
Eine Versicherung hatte den Versicherungsvertrag widerrufen und wegen arglistiger Täuschung angefochten. Dies deshalb, weil die Versicherungsnehmerin angeblich falsche Angaben im Antrag auf Abschluss einer Rentenversicherung mit Todesfallschutz und Berufungsunfähigkeitszusatzversicherung im August 2004 gemacht hatte. So hat sie auf die Frage, ob sie in den letzten 5 Jahren Beschwerden, Störungen, Krankheiten oder Vergiftungen erlitten hat, mit Nein geantwortet, obwohl sich später herausstellte, dass sie von Juli 1998 bis März 2002 in nervenärztlicher Behandlung war, die 17 Behandlungstermine umfasste und dazu führte, dass sie in den Jahren durchgehend mit Antidepressiva behandelt wurde. Die Behandlung erfolgte aufgrund des Verdachtes auf Schizophrenie. Die Versicherung, die seit 2008 Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung erbrachte, hat nach einer Leistungsprüfung den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und den Rücktritt vom Vertrag erklärt.
Das OLG Stuttgart verwehrte der Versicherung die Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen. Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung setze voraus, dass diese eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen. Im Übrigen müsse der Versicherungsnehmer vorsätzlich handeln. Die Versicherungsnehmerin hatte aber den Antrag nicht selbst ausgefüllt, sondern er ist von der Versicherungsvertreterin ausgefüllt worden, nachdem diese die Fragen vorgelesen hatte. In solchen Fällen – so das OLG Stuttgart – habe der Versicherer sowohl die Täuschung zu beweisen wie auch den Umstand, dass der Versicherungsvertreter dem Antragsteller die Fragen in einer Art und Weise vorgelesen hat, die das Ausfüllen des Formulars durch den Versicherungsvertreter einer eigenverantwortlichen Beantwortung durch den Antragsteller vergleichbar erscheinen lässt.
Diesen Beweis sah das Gericht durch den Versicherer nicht geführt. So habe die Zeugin, die beim Versicherungsabschluss dabei war die Gesundheitsfragen vor Gericht nochmals so vorgelesen, wie dies durch die Versicherungsvertreterin geschehen sei. Das Vorlesen sei viel zu schnell erfolgt. Dadurch sei es nicht möglich gewesen, Punkt für Punkt den Erklärungsinhalt aller 30 genannten Erkrankungen zu erfassen. Damit waren der Versicherung Anfechtungsmöglichkeiten genommen. Selbst die hohe Anzahl von 17 Arztbesuchen zur Behandlung ihrer Depression und ihrer Schizophrenie und das Verschweigen dieser Umstände ließen das Gericht in seiner Auffassung nicht schwanken. Die Therapie war bereits seit März 2002 endgültig abgeschlossen, sodass die Erkrankung zum Antragszeitpunkt schon mehr als 2 Jahre als ausgeheilt anzusehen war. Dies könne daher nicht mehr zu ihrem Nachteil berücksichtigt werden. Es wurde festgestellt, dass das Versicherungsverhältnis zwischen der Versicherungsnehmerin und der Versicherung unverändert fortbesteht (OLG Stuttgart, NJW 2012, 2526 ff.).
Nach diesem Urteil erscheint es angezeigt, deckungsablehnende Entscheidungen von Versicherungen auf ihre rechtliche Begründetheit hin zu überprüfen und nicht einfach hinzunehmen.
Erstattungspflicht der privaten Krankenversicherung für alternativheilkundliche Behandlungen/Arzneimittel
Die Musterbedingungen für die private Krankenversicherung enthielten bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) den Ausschluss wissenschaftlich nicht allgemein anerkannter Behandlungs- oder Untersuchungsmethoden und Arzneimittel.
Diese umfassende Ausschlussklausel ist vom BGH verworfen worden, vgl. BGH VersR 93, 957.
Nunmehr muss der private Krankenversicherer bei der Erstattung genau prüfen, ob es sich bei den erbrachten Leistungen um ohnehin zu erstattende, in der Schulmedizin überwiegend anerkannte Methoden oder ihnen gleichstehende Methoden handelt.
Gefordert wird nunmehr, dass die Methode bewährt ist und damit eine Anerkennung innerhalb der alternativen Medizin erfahren hat. Weiterhin wird die Gleichwertigkeit im Hinblick auf den Erfolg gefordert. Der BGH hat zu diesen neuen Erfordernissen erklärt, dass er das Gleichwertigkeitserfordernis für wirksam hält. Der BGH hat auch erkannt, dass der Versicherungsnehmer regelmäßig nicht das Bestehen dieser „Gleichwertigkeit“ beweisen kann. Daher hat der BGH entschieden, dass der Versicherer verpflichtet ist, nach einer Stellungnahme des ärztlichen Behandlers substantiiert dazulegen, weswegen er meint, eine Gleichwertigkeit bestehe nicht.
Die Gleichwertigkeit bezieht sich auch auf den Heilerfolg. Hinsichtlich der Art, Ausführung und Dauer der Behandlung muss keinerlei Vergleichbarkeit bestehen. Die entscheidende Frage ist, ob der Nachweis der Gleichwertigkeit einer Behandlungsmethode nur durch kontrolliert durchgeführte Studien geführt werden kann (höchste Evidenz). Dies muss verneint werden, da dies zu einer Aushöhlung des Versicherungsschutzes führen würde, denn nach dem Selbstverständnis der alternativen Medizin wird es derlei Evidenz-Studien regelmäßig nicht geben. Man wird deshalb für den Nachweis der Gleichwertigkeit auch Anwendungsbeobachtungen und Gutachten aus dem Kreis der Alternativmediziner zulassen müssen, vgl. OLG Stuttgart, NJOZ 2010, 882.
Die Gleichwertigkeit wurde bejaht für Disk-Implantate; für Ayurveda bei Neurodermitis; für Katheter-Methode bei Raez-Technik bei lumbalgieformen Beschwerden. Verneint wurde die Gleichwertigkeit hingegen bei der Einnahme von Neythumorin und Hyperthermie-Behandlung bei Krebs; für die stationäre Behandlung nach anthroposophischen Methoden (z. B. Musik-Therapie) bei Schwächezuständen; für die Bioresonanztherapie.
Das Gleichwertigkeitserfordernis gilt aber nicht, wenn keine schulmedizinischen Behandlungsmethoden (bzw. Arzneimittel) zur Heilung oder Linderung der Krankheit zu Gebote stehen.
Der Versicherer hat grundsätzlich das Recht, seine Leistungen bei der Behandlung einer von der Schulmedizin nicht anerkannten Methode auf den Betrag herabzusetzen, der bei der Behandlung nach den Regeln der Schulmedizin angefallen wäre. Allerdings gilt dies wiederum nicht in Fällen, in denen es keine solche Methoden gibt, da sich dann ein derartiger Kostenvergleich kaum stellen wird.
Der Versicherer, der unter Berufung auf diese Vorschrift nicht vollen Kostenersatz leisten will, muss beweisen, dass eine schulmedizinische Methode mit gleichem Therapieziel zu Gebote stand, deren Kosten geringer sind als die der vom Versicherungsnehmer in Anspruch genommenen alternativen Methode. Ist dieser Beweis geführt, bleibt es dem Versicherungsnehmer überlassen, den Beweis zu führen, dass die alternative Methode dieser Standardmethode überlegen ist. Die Erfahrung zeigt, dass diese Nachweise gegen alle Widerstände der Versicherer mit Aussicht auf Erfolg geführt werden können.
„Noten in der Pflege: Transparenz oder nur Verwirrung?“
Der Gesetzgeber hat nun die Notwendigkeit von Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen in den §§ 114 ff SGB XI normiert.
Dadurch soll das Aufdecken und Beseitigen von Missständen erleichtert werden. So müssen in Pflegeeinrichtungen bis zum 31.12.2010 mindestens einmal und ab 2011 regelmäßig im Abstand von höchstens einem Jahr Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) oder durch eigens bestellte Sachverständige stattfinden (sog. Regelprüfung). Hinzukommen ggf. Anlass- oder Wiederholungsprüfungen.
Die Kriterien und die Bewertungssystematik zur Qualität der Pflegeheime wurden zwischen dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen und den Trägern der Pflegeeinrichtungen am 11.11.2008 vereinbart. Die Prüfung durch den MDK oder bestellte Sachverständige erfolgt danach in 4 Themenbereichen: Pflege und medizinische Versorgung; Umgang mit demenzkranken Bewohnern und anderen gerontopsychiatrisch veränderten Menschen; soziale Betreuung und Alltagsgestaltung; Wohnen, Verpflegung, Hauswirtschaft, Hygiene.
Ergänzt werden diese Bewertungen durch eine Befragung der Bewohner. Die Ergebnisse werden mit Schulnoten von sehr gut bis mangelhaft bewertet. Veröffentlicht werden die Ergebnisse sowohl im Internet als auch an gut sichtbarer Stelle in der Pflegeeinrichtung. Das jeweilige Datum der Prüfung ist für jeden deutlich erkennbar mitzuteilen. Auf der Internetseite www.pflegenoten.de sind entsprechende Informationen und Links von zwischenzeitlich veröffentlichen Bewertungen nachzulesen.
Bei der Veröffentlichung der Transparenzberichte fühlten sich angesichts des neu eingeführten und doch recht fragwürdigen Bewertungssystems einige Heimträger ungerecht behandelt. Sie wollten daher die Bewertung einer entsprechenden Kontrolle zu unterziehen. In 3 einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor Landessozialgerichten ist derzeit – bei allerdings sehr unterschiedlicher Rechtsprechung – festgestellt worden, dass die Veröffentlichung eines Transparenzberichts kein verfassungswidriger Eingriff in die Rechte des betroffenen Pflegeheimbetreibers darstelle. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn ein faires, neutrales, objektives und sachkundiges Prüfverfahren nach den entsprechenden Vorgaben vorausgegangen sei. Pflegeeinrichtungen seien den Berichten immerhin nicht schutzlos ausgeliefert; sie könnten bei schwerwiegenden formellen oder inhaltlichen Mängeln gegen die Transparenzberichte vorgehen. Zudem hätten sie das Recht, zu den Transparenzberichten eine abweichende Kommentierung beizufügen und eine Wiederholungsbegutachtung zu beantragen.
Auch die Art und Weise der Notenbildung sei nicht zu beanstanden. Die Bewertungen könnten die Gerichte nur eingeschränkt überprüfen, indem sie vor allem ein korrektes Prüfverfahren sicherstellten (vgl. hierzu: LSG NRW vom 10.05.2010, L 10 P 10/10 B ER und vom 22.06.2010, L 10 P 59/10 B ER RG; so auch: LSG Sachsen-Anhalt vom 14.06.2010, L 4 P 3/10 B ER).
Hiervon deutlich abweichend und mit verfassungsrechtlichen Bedenken ist jetzt sogar in einem Hauptsacheverfahren vom Sozialgericht Münster in einer Entscheidung vom 20.08.2010, S 6 P 111/10, entschieden worden, dass die Transparenzberichte rechtswidrig seien, weil die Beurteilungskriterien nicht dem Gesetz entsprächen. Die zwischen GKV-Spitzenverband und Pflegeträgern vereinbarte Bewertungssystematik sei misslungen und die Darstellung des Transparenzberichts für den Leser nicht nachvollziehbar, sondern vielmehr irreführend. Dementsprechend hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in zwei einstweiligen Entscheidungen vom 29.03.2010, L 27 P 14/10 B ER und vom 11.05.2010, L 27 P 18/10 B ER die Veröffentlichung von Transparenzberichten betreffend ambulante Pflegedienste vorläufig untersagt. Nach Auffassung des LSG stellte die Veröffentlichung der Bewertungen einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsfreiheit der Pflegedienste dar und sei in den vorliegenden Fällen auch sachlich fehlerhaft. Das LSG hat die vorläufigen Entscheidungen allerdings höchstens für 6 Monate befristet.
In dieser Zeit solle weitere Klärung durch die noch bei den Sozialgerichten (d.h. erstinstanzlich) anhängigen Klageverfahren erfolgen.
Eine abschließend klärende Rechtsprechung, insbesondere des Bundessozialgerichts, ist noch nicht ergangen. Sicherlich wird es jeweils auf den Einzelfall ankommen, da die einzelne Prüfung und Bewertung im Fokus steht und es auch auf das Verhalten der geprüften Pflegeeinrichtung ankommt, so auch darauf, ob eine Wiederholungsbegutachtung beantragt wurde oder abweichende Kommentierungen abgegeben wurden.
Da das Qualitätsprüfungsverfahren insgesamt neu ist, muss nun für die ersten Jahre davon ausgegangen werden, dass Mängel bei der Bewertung und Durchführung der Vereinbarungen nicht ausgeschlossen werden können. Fraglich ist aber, ob dies an der grundsätzlichen Zulässigkeit des Verfahrens, d. h. auch der Notenbildung und die Veröffentlichung, trotz rechtlicher Bedenken etwas ändern wird. Das LSG NRW und das LSG Sachsen-Anhalt scheinen, wie oben dargestellt, die grundsätzlich neu geschaffene Systematik jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für zulässig und verfassungskonform zu halten. Es bleibt mithin abzuwarten, wie letztlich das Bundessozialgericht entscheiden wird.
Krankheitskosten und Krankheitsentwicklung bei Borreliose – die ignorierte Gefahr
Oft unbeachtet erkrankten in den vergangenen Jahren nach Angaben der medizinischen Fachgesellschaften viele Tausend Menschen an einer Borrelieninfektion (Borreliose).
Jetzt wurde der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller, von der Vorsitzenden des „Borreliose- und FSME-Bundes Deutschland“ (BFBD) explizit ersucht, schnellstmöglich politische Maßnahmen zu ergreifen. Der Patientenbeauftragte sagte zu, das Thema „Meldepflicht von durch Zecken übertragenen Krankheiten“ auf die Tagesordnung der nächsten Gesundheitsministerkonferenz der Länder zu setzen.
Erst langsam entwickelt sich in Politik und Gesellschaft ein Bewusstsein für diese teils schwer diagnostizierbare Erkrankung. Auch in der Medizin ist es nach wie vor umstritten, wie und wie lange eine einmal festgestellte Borreliose zu therapieren ist. Die Meinungen zu den Diagnose- und Therapiemethoden gehen derart weit auseinander, dass der betroffene Patient letztlich nicht mehr wissen kann, wem er in der von Partikularinteressen geleiteten Diskussion Glauben schenken soll. Folgt er den Krankenkassen und einem Teil der Ärzteschaft, genügt es zur Auffindung der Krankheit neben der üblichen körperlichen Untersuchung, die sog. „Elisa“-Labortestmethode als ausreichend anzusehen. Leider vermag diese Methode nach Auskunft von Laborfachärzten rund 70 % aller Borrelienerkrankungen nicht zu erkennen. Andere, weitaus exaktere Diagnoseverfahren stehen zwar zur Verfügung, werden aber oft entweder vom behandelnden Arzt nicht eingesetzt, und/oder von der Krankenkasse gar nicht oder erst bei fortgeschrittenem bis sehr spätem Krankheitsverlauf erstattet.
Wo liegt das Problem? Einerseits sind sich die behandelnden Mediziner über Darstellung der Krankheit, Diagnosemethoden und Therapieformen äußerst uneins. Andererseits bringt die Krankheit nach Auskunft der „Deutschen Borreliose Gesellschaft“ derart unterschiedliche Symptome mit sich, dass sie als solche oftmals gar nicht erkannt wird. Wird nach ihr nicht explizit, d.h. vor allem durch aufwändige Labortests gesucht, lässt sie sich in vielen Fällen nicht sicher diagnostizieren. Denn sie kann durchaus ohne die „üblichen“ Symptome wie Zustand nach Zeckenbiss und Wanderröte auf der Haut und auch erst deutlich später nach einem Insektenbiss auftreten.
Die Symptome sind vielfältig und können in der Intensität schwankend sein. Vier bis sechs Wochen nach der Infektion, so die Deutsche Borreliose Gesellschaft, werde die Krankheit chronisch und führe zu dauerhaften Beschwerden und Krankheitszuständen. Dann ist eine umfassende, zeit- und kostenaufwändige Therapie vonnöten, die die Krankenkassen nicht immer tragen. Die Patienten erhalten bisweilen täglich intravenös verabreichte Antibiotika, die im Rahmen einer langwierigen und sehr kostspieligen Therapie über teils sogar Monate fortzuführen ist. Zur Frage, warum ein Teil der Ärzteschaft im Zusammenspiel mit den Krankenkassen, Kranken-, Unfall- und Rentenversicherern sowie Pharmaindustrie nach wie vor die Augen vor den vielen Tausend nicht oder zu spät diagnostizierter Fälle verschließt, kann nur spekuliert werden.
Betroffenen Patienten ist in juristischer Hinsicht zu raten, die Kostenträger in jedem Fall schnellstmöglich und nachhaltig zur Zahlung der gebotenen Therapiemaßnahmen bzw. zur Erklärung ihrer Eintrittspflicht aufzufordern und im Verweigerungsfall unverzüglich alle rechtlichen Schritt gegen sie zu ergreifen. Spätestens in einem gerichtlichen Verfahren wird durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt, ob eine Eintrittspflicht der Kasse im Einzelfall bestand. Größtes Augenmerk ist vom Rechtsbeistand dabei auf die Auswahl eines kompetenten und unabhängigen medizinischen Sachverständigen zu richten.
Ärzte und „Medizinhandwerk“: Zusammenarbeit möglich?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Augenärzte und Optiker aufgrund Vorgaben des ärztlichen Berufsrechts nicht uneingeschränkt zusammenarbeiten dürfen.
Ein Augenarzt darf Patienten nur dann an bestimmte Optiker verweisen, wenn ein so genannter „hinreichender Grund“ hierfür besteht. Dieser muss nach Auffassung des BGH zwar nicht unbedingt medizinischer Natur sein; als Grund reicht es danach aber nicht aus, dass Optiker die Sehschärfe selbst bestimmen und die dann angefertigte Brille von der Brillenverordnung abweichen kann.
Die hier klagende und teils obsiegende Wettbewerbszentrale hatte einen niedersächsischen Augenarzt verklagt, der seinen Patienten anbot, sich in seiner Praxis unter rund 60 Musterbrillenfassungen eines nordrhein-westfälischen Optikers eine bestimmte Fassung auszusuchen. Der beklagte Arzt übermittelte sodann seine Messergebnisse samt Brillenverordnung an den Optiker, der die von ihm gefertigte Brille entweder direkt an den Patienten oder auf dessen Wunsch in die Praxis des Beklagten lieferte. In der Arztpraxis sollte der Sitz der Brille kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden.
Der BGH gestand der klagenden Wettbewerbszentrale zwar zu, dass die einschlägigen Regelungen der Musterberufsordnung für Ärzte bzw. hier die Einzelberufsordnung der Ärztekammer Niedersachsen Marktverhaltensregelungen seien, deren Verletzung auch Unterlassungsansprüche begründen könne.
Die Klägerin könne dem beklagten Augenarzt allerdings nicht allgemein verbieten, Patienten an einen bestimmten Optiker zu verweisen oder von diesem angefertigte Brillen in seiner Praxis anzupassen und abzugeben. Denn die ärztliche Berufsordnung gestatte eine solche Verweisung, wenn hierfür ein hinreichender Grund bestehe.
Das in der Vorinstanz entscheidende Berufungsgericht hatte angenommen, es liege darin ein hinreichender Grund für die Verweisung eines Patienten an einen weit entfernten Optiker, dass Optiker die Sehschärfe selbst bestimmten und die dann angefertigte Brille von der Brillenverordnung abweichen könne. Nach dieser Ansicht könnten Augenärzte Patienten unbeschränkt an bestimmte Optiker verweisen. Dem Verweisungsverbot komme überhaupt keine Bedeutung mehr zu. Denn die Möglichkeit, dass der Optiker von der Verordnung abweichende Gläser herstelle, könne niemals ausgeschlossen werden.
Die klagende Wettbewerbszentrale hat geltend gemacht, dass bereits die vom beklagten Arzt vorgelegten Erklärungen seiner Patienten keine hinreichenden Gründe für eine Verweisung an einen bestimmten Optiker erkennen ließen. Danach finden es die meisten Patienten lediglich bequemer, alle Leistungen „aus einer Hand“ zu erhalten. Soweit sich einzelne Patienten auf schlechte Erfahrungen mit einem örtlichen Optiker beriefen, werde nicht deutlich, weshalb nicht die Dienste anderer örtlicher Optiker in Anspruch genommen werden könnten.
Auch der BGH konnte auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht annehmen, dass der Beklagte nur dann Brillen abgegeben und angepasst hat, wenn dies notwendiger Bestandteil seiner ärztlichen Therapie war. Deswegen hat er die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Fraglich bleibt also, was hier notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sein kann.
Vgl. dazu: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.07.2009, I ZR 13/07
Vgl. Text:
§ 3 Abs. 2 BOÄ der Ärztekammer Niedersachen:
„Dem Arzt ist untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter seiner Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind.“
Neue gesetzliche Rahmenbedingungen zum Umgang mit einer Patientenverfügung
Zum 01.09.2009 sind die gesetzlichen Regelungen zur Wirksamkeit und Reichweite von Patientenverfügungen in Kraft getreten.
Nach dem Wunsch des Bundesministeriums für Gesundheit und des Bundesministerium der Justiz soll dadurch Sicherheit und Klarheit für die Menschen herbeigeführt werden, die schon heute eine solche Verfügung haben, aber auch für solche, die sich in Zukunft dafür entscheiden.
Ab dem 01.09.2009 müssen Patientenverfügungen schriftlich sein und eigenhändig unterschrieben werden. Frühere schriftliche Patientenverfügungen bleiben wirksam. Getroffene Patientenverfügungen können jederzeit formlos widerrufen werden. Liegt eine schriftliche wirksame Patientenverfügung vor und kommt es danach zur Entscheidungsunfähigkeit des Betroffenen, sind Betreuer und Bevollmächtigte an diese Patientenverfügung gebunden. Diese müssen dann prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation entsprechen und den Willen des Betroffenen zur Geltung bringen. Entscheidungen über ärztliche Maßnahmen sollen im Dialog zwischen dem Arzt und dem Betreuer (bzw. Bevollmächtigten) vorbereitet werden. Wenn sich der Arzt und der Betreuer (oder der Bevollmächtigte) uneinig sind über den Patientenwillen, muss die Entscheidung über die Behandlung vom Betreuungsgericht genehmigt werden. Besteht Einigkeit, bedarf es keiner Hinzuschaltung des Gerichtes.
Es kursieren viele Muster zu Patientenverfügung in Presse und Internet. Bei deren Verwendung darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass Patientenverfügungen ihrem Inhalt nach individuell sein und insbesondere auch diverse medizinische Situationen aufgreifen sollten. Bei der Erstellung einer solchen Patientenverfügung sollte daher der Rat des behandelnden Hausarztes eingeholt werden. Auch wir sind Ihnen bei der Erstellung einer Patientenverfügung selbstverständlich gerne behilflich.