Endlich Klarheit bei der Insolvenzverursachungshaftung des Geschäftsführers!
Mit Urteil vom 09.10.2012 (Az. II ZR 298/11) hat der BGH erstmals Gelegenheit gehabt, eine umstrittene Auslegungsfrage des im Rahmen des MoMiG neu geschaffenen Haftungstatbestandes des § 64 S. 3 GmbHG zu entscheiden.
Denn mit § 64 S. 3 GmbHG wurde durch das MoMiG eine neue Haftung des Geschäftsführers für den Fall eingeführt, dass Zahlungen aus dem Vermögen der GmbH an den Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen, die sogenannte Insolvenzverursachungshaftung. Das Besondere an dieser Regelung ist, dass die Haftung zeitlich vor Eintritt der materiellen Insolvenz eintritt und sie andererseits auf den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit beschränkt ist. Da diese Norm sich auf den Zeitraum vor Eintritt der materiellen Insolvenz begrenzt, war umstritten, ob der Geschäftsführer ein Leistungsverweigerungsrecht bei berechtigtem Rückzahlungsverlangen der weisungsbefugten Gesellschafter hat.
Der BGH hat nunmehr diese umstrittene Frage gelöst, indem es dem Geschäftsführer nicht nur die Pflicht, die Zahlung zu unterlassen, sondern auch das Recht zubilligt, die Zahlung zu verweigern, wenn diese zur Zahlungsunfähigkeit der GmbH führen würde.
Die Entscheidung des BGH ist nicht nur eine willkommene Klärung der Grenzen der Geschäftsführerhaftung, sondern macht einmal mehr deutlich, wie wichtig es für den Geschäftsführer einer Gesellschaft ist, umfassende Kenntnis der aktuellen Liquiditätslage derselben zu haben. Diese hat er sich – wie ein weiteres Urteil des BGH vom 27.03.2012 (Az. II ZR 171/10) klarstellt – notfalls unter kurzfristiger Hinzuziehung externer Berater wie Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte zu verschaffen.
Befreiung des Liquidators vom Selbstkontrahierungsverbot bei der mit Musterprotokoll gegründeten GmbH
Seit dem 01.11.2008 besteht die Möglichkeit, durch Benutzung eines sog. Musterprotokolls in einem vereinfachten Verfahren eine GmbH mit maximal drei Gesellschaftern zu gründen (vgl. § 2 GmbHG).
Die Vorteile sollen darin liegen, dass die Notarkosten geringer und die Dauer bis zur Eintragung der GmbH in das Handelsregister kürzer sind. Darüber hinaus entfällt das Verfassen eines Gesellschaftsvertrages durch den Rechtsanwalt, was zu weiteren Einsparungen führt. Nachteil dieser Gründungsart ist, dass das Musterprotokoll in keinem Punkt abgeändert werden darf, will man noch vom vereinfachten Verfahren profitieren.
Dass allerdings Einsparungen an falscher Stelle zu einem späteren Zeitpunkt zu unerwartet hohen Kosten oder weiteren Problemen führen können, zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt/Main vom 13.10.2011, Az. 20 W 95/11, entschieden wurde. Das OLG Frankfurt hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem eine im vereinfachten Verfahren gegründete GmbH liquidiert werden sollte. Im Regelfall sieht eine GmbH-Satzung für diesen Fall vor, dass die Geschäftsführer als Liquidatoren von dem Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit sind. Dies bedeutet, dass sie als Vertreter der GmbH gleichzeitig mit sich selbst Geschäfte machen können. Dies ist in der Praxis wichtig, da ansonsten die Führung der GmbH im schlimmsten Fall bis zur Handlungsunfähigkeit erschwert würde. Im vorliegenden Fall stellte sich das Problem, dass das GmbH-Musterprotokoll zwar eine Befreiung der Geschäftsführer von diesem Selbstkontrahierungszwang vorsah, jedoch der Fall der Liquidation nicht geregelt wurde. Damit greift die gesetzliche Regelung des § 66 GmbHG, nach der zwar auch die bisherigen Geschäftsführer die Rolle der Liquidatoren übernehmen, jedoch diese gerade nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden.
Die betreffende GmbH in Liquidation wollte nunmehr beim zuständigen Registergericht eine Befreiung der Beschränkungen des § 181 BGB für den Liquidator eintragen lassen. Das Registergericht wies dies ab mit dem Hinweis, aufgrund der fehlenden satzungsmäßigen Regelung sei zunächst eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags notwendig.
Diese Ansicht wurde sodann durch das OLG Frankfurt/Main bestätigt: Die vormalige Befreiung des Geschäftsführers und nunmehrigen Liquidators von den Beschränkungen des § 181 BGB betreffen nur seine Organstellung als Geschäftsführer und nicht als Liquidator. Vor diesem Hintergrund müsse daher zunächst ein Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden, der eine Befreiungsmöglichkeit in der Satzung schafft. Die GmbH in Liquidation hätte daher einen (zu protokollierenden und notariell zu beurkundeten) Gesellschafterbeschluss herbeiführen müssen. Dieser hätte sodann in das Handelsregister eingetragen werden müssen und erst dann wäre der Liquidator von den Zwängen des § 181 BGB befreit gewesen.
Es empfiehlt sich daher, entweder von einer Gründung im vereinfachten Verfahren abzusehen und den Fall der Liquidation (und alle weiteren Eventualitäten) bereits dort zu regeln, oder, nach einer Gründung im vereinfachten Verfahren, entweder eine direkte Befreiung der Liquidatoren bezüglich § 181 BGB oder eine abstrakte Befreiungsmöglichkeit (die danach eines konkreten Gesellschafterbeschlusses bedarf) zu schaffen.
Insolvenzantrag nur bei Gesellschafterbeschluss!
Mit Urteil vom 21.03.2013 hat das OLG München (Az. 23 U 3344/12) Stellung dazu genommen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschäftsführer einer KG Insolvenzantrag stellen darf.
Hintergrund der Entscheidung des OLG München war folgende Fallkonstellation: Der Notgeschäftsführer der Komplementär-GmbH einer KG beantragt wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG. Ein diesbezüglicher Gesellschafterbeschluss bei der KG liegt nicht vor. Später stellt sich heraus, dass bei der KG zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich keine Zahlungsunfähigkeit drohte; durch die Antragstellung wurde der KG jedoch ein Darlehen insolvenzbedingt gekündigt. Die KG machte nunmehr Schadensersatz gem. § 43 Abs. 2 GmbHG gegen den Geschäftsführer der Komplementär-KG geltend.
Das OLG München hat den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zur Zahlung desjenigen Schaden verurteilt, der der KG aufgrund der Antragstellung des Geschäftsführers entstanden ist. Es verdeutlichte dabei, dass – wie auch bereits für die AG und die GmbH entschieden – für einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit im Innenverhältnis der KG ein entsprechender Gesellschafterbeschluss erforderlich ist. Damit bestätigt das OLG München die bereits in der Literatur vertretene Meinung, wonach es sich bei dem Insolvenzantrag aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit um ein sogenanntes Grundlagengeschäft handelt, für das im Innenverhältnis die Zustimmung der Gesellschafterversammlung erforderlich ist. Da die Organstellung als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH drittschützende Wirkung gegenüber der KG entfaltet, haftet der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch für den ihr aufgrund der fehlerhaften Insolvenzbeantragung entstandenen Schaden.
Vor diesem Hintergrund ist es Geschäftsführern der Komplementär-GmbH einer KG dringend anzuraten, keinen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit der KG ohne zustimmenden Beschluss der Gesellschafter der KG zu stellen. Risiken entstehen dem Komplementär-Geschäftsführer dadurch nicht, da drohende Zahlungsunfähigkeit keine unverzüglich zu erfüllende Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) auslöst. Eine Haftung wegen Insolvenzverschleppung droht daher nicht.
Wirtschaftliche Neugründung einer GmbH – Eindämmung der Gefahr?
Mit seiner Entscheidung vom 06.03.2012 hat der Bundesgerichtshof (Az. II ZR 56/10) Klarheit in einer für Gesellschafter sehr wichtigen Frage geschaffen.
Es geht dabei um die Frage der Haftung der Gesellschafter einer GmbH, wenn diese eine still gelegte (Mantelgesellschaft) oder eine auf Vorrat angelegte Gesellschaft (Vorratsgesellschaft) mit neuem Unternehmenszweck wiederaufleben lassen. Nun ist es so, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bei einer solchen Aktivierung der GmbH die Gründungsvorschriften entsprechend anzuwenden sind. Dies bedeutet unter anderem, dass der Geschäftsführer diese sogenannte wirtschaftliche Neugründung gegenüber dem Gericht offenlegen und die Einzahlung der Stammeinlage und deren Erhalt versichern muss.
Der BGH hatte vorliegend darüber zu entscheiden, inwiefern bei einem Unterlassen dieser Offenlegung und Versicherung gegenüber dem Gericht die Gesellschafter in die Haftung zu nehmen sind, wenn sodann diese wirtschaftlich neu gegründete GmbH in die Insolvenz geht. Der Haftungsmaßstab, der in einem solchen Fall angesetzt werden sollte, war bisher umstritten. Viele Oberlandesgerichte vertraten die Auffassung, dass die Gesellschafter in diesem Fall einer zeitlich unbegrenzten sogenannten Verlustdeckungshaftung unterliegen. Dies führte regelmäßig zu der unangenehmen Folge, dass die Gesellschafter für alle Verluste der GmbH in unbegrenzter Höhe hafteten. Nun hat der BGH entschieden, dass es für die Haftung der Gesellschafter nur darauf ankommt, dass zum Zeitpunkt der Neugründung der GmbH eine Deckungslücke zwischen dem Vermögen der GmbH und dem satzungsmäßigen Stammkapital bestanden hat. Nur bezüglich dieser Differenz zum satzungsmäßigen Stammkapital besteht dann eine Haftung der Gesellschafter (sogenannte Unterbilanzhaftung).
Der BGH hat mit dieser Entscheidung das wirtschaftliche Risiko bei einer unterbliebenen Offenlegung der Neugründung zwar nicht aus der Welt geschaffen, jedoch zumindest eingeschränkt und insofern das Risiko der Gesellschafter etwas überschaubarer gemacht.
Eine genaue Überprüfung der Aktiva und Passiva der GmbH und die Beachtung aller notwendigen Formalia bei einer wirtschaftlichen Neugründung sind jedoch nach wie vor für eine Reduzierung des wirtschaftlichen und rechtlichen Risikos der Gesellschafter unerlässlich.
BGH stärkt Gläubigerrechte
Mit seiner Entscheidung vom 02.12.2010 (Az. IX ZR 247/09) hat der Bundesgerichtshof Klarheit in einer für die Gläubiger sehr wichtigen Frage geschaffen. Es geht dabei um die Möglichkeit der Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO in einer Verbraucherinsolvenz und deren Folgen für die Ansprüche der Gläubiger.
Der BGH hatte dabei über einen Fall zu urteilen, in dem der Gläubiger einer Forderung aus unerlaubter Handlung zunächst einen entsprechenden rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid erlangte. Der Schuldner der Forderung meldete jedoch sodann Verbraucherinsolvenz und beantragte die Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO. Nachdem der Gläubiger die Forderung aus unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle anmeldete, widersprach der Schuldner dem Rechtsgrund dieser Forderung. Der Gläubiger begehrte sodann die gerichtliche Feststellung des Rechtsgrundes seiner Forderung. Die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, der Anspruch auf Feststellung sei verjährt, weil auch der Anspruch aus unerlaubter Handlung vorliegend verjährt sei.
Dem hat der BGH nun eine klare Absage erteilt und ausgesprochen, dass Ansprüche auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses bzw. eines Rechtsgrundes keiner Verjährung unterliegen.
Hintergrund dieser Entscheidung ist, dass die Schuldner bei einer Verbraucherinsolvenz seit 1999 die Möglichkeit der Beantragung einer sogenannten Restschuldbefreiung haben. Die Restschuldbefreiung gem. § 302 Nr. 1 InsO bewirkt dabei die Befreiung von den noch offenen Forderungen nach einer Wohlverhaltensphase von 6 Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und beschränkt so die 30-jährige Regelverjährung von rechtskräftig festgestellten Ansprüchen. Allerdings betrifft die Restschuldbefreiung nicht die Ansprüche aus unerlaubter Handlung, die auch als solche zur Insolvenztabelle angemeldet wurden.
Wurde über einen solchen Anspruch bereits in einem Rechtsstreit entschieden, so ergibt sich in aller Regel aus dem Urteil, dass es sich um einen Anspruch aus unerlaubter Handlung handelt. Der Gläubiger kann dann 30 Jahre lang aus der Forderung vollstrecken. Bei Titeln, denen keine richterliche Überprüfung vorangeht (z.B. Vollstreckungsbescheid oder Versäumnisurteil), kann jedoch der Schuldner diesen Forderungen im Insolvenzverfahren widersprechen. Der Gläubiger ist dann gezwungen, einen weiteren Rechtsstreit zu führen, nämlich auf Feststellung, dass seine rechtskräftig festgestellte Forderung eine aus unerlaubter Handlung ist (Feststellung des Rechtsgrundes).
Nun ergab sich bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung die Schwierigkeit, dass viele Vorinstanzen und auch ein Großteil der Lehre davon ausging, dass der Anspruch auf Feststellung eines Rechtsgrundes den gleichen Verjährungsvorschriften unterfällt wie der betreffende Rechtsgrund. Bei einer unerlaubten Handlung wären dies 3 Jahre ab Kenntnis der unerlaubten Handlung und Entstehung des Schadens. Diese Verjährungsfrist war allerdings zum Zeitpunkt der Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle – wie beim BGH im vorbezeichneten Fall – oftmals überschritten. Dem Gläubiger war es damit verwehrt, zu diesem Zeitpunkt noch den Rechtsgrund seiner Forderung gerichtlich feststellen zu lassen. Dies hatte zur Folge, dass aufgrund des Widerspruchs des Schuldners diese Forderung nicht als eine aus unerlaubter Handlung galt und damit auch der Restschuldbefreiung unterfiel. War die Forderung oder waren Teile der Forderung nach der Wohlverhaltensphase des Schuldners noch offen, verfielen diese Forderungen mit der Restschuldbefreiung. Der Gläubiger ging leer aus.
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BGH sehr zu begrüßen. Es ist zu erwarten, dass mit dieser Entscheidung des BGH nicht wenige Forderungen vor der Insolvenz des Schuldners und deren Folgen „gerettet“ werden können. Denn die Gläubiger einer Forderung aus unerlaubter Handlung haben damit nunmehr die Möglichkeit, auch Jahre nach eigentlicher Verjährung des Rechtsgrundes deren Feststellung gerichtlich durchzusetzen und so wieder in den Genuss der 30-jährigen Vollstreckungsmöglichkeit zu kommen.
Haftung des Aufsichtsrates einer GmbH
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seiner Entscheidung vom 20.09.2010 (Az. II ZR 78/09, „Doberlug“-Entscheidung) für eine weitere Klarstellung des Haftungsumfangs des Aufsichtsrates einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH Der BGH kommt dabei zu dem Ergebnis, dass bei einem Aufsichtsrat einer nicht mitbestimmten GmbH, in der satzungsmäßig die Geltung des Aktiengesetzes (AktG) nicht ausgeschlossen ist, trotzdem die Regelungen des AktG nicht ohne weiteres anzuwenden sind.
Der von dem BGH entschiedene Sachverhalt stellt sich verkürzt folgendermaßen dar: Kläger war der Insolvenzverwalter einer GmbH. Die Beklagten sind Mitglieder des des nicht zwingenden (fakultativen) Aufsichtsrats der insolventen GmbH. Satzungsmäßig waren die Regelungen des AktG nicht ausgeschlossen. Der Kläger wirft den Beklagten vor, es zugelassen zu haben, dass der Geschäftsführer der GmbH nach Insolvenzreife noch Zahlungen bewirkt habe. Solche Zahlungen der GmbH sind verboten. Der Kläger sah darin eine Verletzung der Pflicht zur Überwachung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Geschäftsleitung, die zum Schadensersatz gegenüber der GmbH verpflichten würde.
Der BGH hat dazu ausgeführt, dass der fakultative Aufsichtsrat der Gesellschaft gegenüber bei Schäden haftet. Auch hat er die Pflicht zur Überwachung der Geschäftsleitung, was die Überwachung der Einhaltung des Zahlungsverbotes nach Insolvenzreife umfasst (§ 64 Satz 1 GmbH). Ein Anspruch auf Schadensersatz sei aber nur bei einem tatsächlichen Schaden der GmbH gegeben. Bei Zahlungen nach Insolvenzreife ist die GmbH aber nicht geschädigt, da diese Zahlungen nur zu einer Insolvenzmasseschmälerung führen. In solchen Fällen kann eine Haftung des Aufsichtsrates nicht den Regelungen des AktG abgeleitet werden. Denn § 116 AktG, der in Verbindung mit § 93 Abs. 3 AktG in solchen Fällen eine Haftung vorsieht, ist nicht auf den fakultativen Aufsichtsrat anzuwenden. Dies vor dem Hintergrund, dass § 52 Abs. 1 GmbHG, der für den fakultativen Aufsichtsrat, der die Regelungen des AktG nicht ausgeschlossen hat, auf das AktG verweist, aber nur hinsichtlich ausdrücklich aufgezählter Vorschriften. In dieser Aufzählung findet sich jedoch gerade nicht § 93 Abs. 3 AktG. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers verbietet sich daher eine entsprechende Anwendung.
Diese Entscheidung ist zu begrüßen. Zwar ist generell zu empfehlen, bei einem fakultativen Aufsichtsrat die Anwendung der aktienrechtlichen Normen auszuschließen. Für die Fälle, in denen dies unterlassen worden ist, hat der Bundesgerichtshof nunmehr die in Fachkreisen herrschende Uneinigkeit, ob nicht explizit aufgezählte Normen des AktG zumindest entsprechend anzuwenden wären, ein Ende bereitet.
Mehr Freiheit für Gesellschaften!
Jahrelang war der Sitz der Gesellschaft immer dort, wo sich die Verwaltung der Gesellschaft befand (sogenannter Verwaltungssitz). Wollte man den Sitz ändern, musste gleichzeitig die Verwaltung umziehen.
Nun besteht bei der unternehmerischen Entscheidung, wo die Gesellschaft ihren Sitz haben soll, mehr Freiheit. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 01.11.2008 ist der Sitz einer Aktiengesellschaft (AG) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht mehr zwingend der Verwaltungssitz. Nunmehr ist Sitz der Gesellschaft der Satzungssitz (vergleiche § 4a GmbHG und § 5 AktG). Dies führt dazu, dass eine Gesellschaft zwar operativ an einem Standort tätig sein, der im Handelsregister eingetragene Sitz der Gesellschaft jedoch gänzlich anderswo, eventuell in dem Zuständigkeitsbereich eines eintragungsfreundlicheren Registergerichtes, liegen kann. Zur Änderung des Sitzes der Gesellschaft bedarf es lediglich einer diesbezüglichen Satzungsänderung. Allerdings ist dabei zu beachten, dass Sitzverlegungen im Rahmen sogenannter Firmenbestattungen missbräuchlich sind, was zur Nichtigkeit des zur Satzungsänderung führenden Beschlusses führt. Bei sogenannten Firmenbestattungen erfolgt dabei die Sitzverlegung nur zum Schein. Sitz der Gesellschaft ist dann eine reine Briefkastenanschrift oder sogar ein nicht existenter Ort. Damit soll der Zugriff der Gläubiger auf die Gesellschaft und insbesondere auf die Geschäftsführer der Gesellschaft erschwert werden.
Abschließend ist festzustellen, dass diese Neuregelungen zu einem weiteren unternehmerischen Spielraum führen. Neben der freieren Wahl des Registergerichts kann nun beispielsweise trotz unterschiedlicher Verwaltungssitze von Konzernunternehmen eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit durch die Wahl eines gemeinsamen Satzungssitzes für alle Konzernunternehmen begründet werden.
„Sanieren oder Ausscheiden“
...mit diesen anschaulichen Schlagworten ist das wichtige Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 19.10.2009 (Az. II ZR 240/08) zu charakterisieren.
In dieser Entscheidung befasst sich der BGH mit der Konkretisierung der Treuepflichten des Gesellschafters. Der BGH kommt zum Ergebnis, dass aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sogar eine Zustimmungspflicht zu einer die eigene Gesellschafterstellung aufhebenden Änderung des Gesellschaftsvertrages resultieren kann.
Der von dem BGH entschiedene Sachverhalt stellt sich verkürzt folgendermaßen dar:
Klägerin war eine offene Handelsgesellschaft (OHG), an der sich die Beklagten als Minderheitsgesellschafter beteiligt hatten. Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der OHG beschlossen deren Gesellschafter mit der erforderlichen Mehrheit und gegen die Stimmen der Beklagten, das Nominalkapital zu Sanierungszwecken zu erhöhen. Gleichzeitig wurde beschlossen, den Gesellschaftsvertrag dahingehend zu ändern, dass ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, wenn er sich an der beschlossenen Kapitalerhöhung nicht beteiligt. Dies taten die Beklagten nicht, so dass die OHG auf Zahlung des für die Beklagten ermittelten negativen Auseinandersetzungsguthabens klagte.
Der BGH hat die Änderung des Gesellschaftsvertrages – trotz mangelnder Zustimmung der Beklagten – für wirksam erachtet, auch weil die ausgeschiedenen Gesellschafter bei einem Ausscheiden finanziell besser als bei einer sofortigen Liquidation standen. Insoweit war die Entscheidung zwischen „Sanieren oder Ausscheiden“ für die jeweiligen Gesellschafter zumutbar.
Diese Entscheidung zeigt sanierungsfähigen und -willigen Gesellschaften einen Weg auf, die Sanierung auch gegen den Willen einiger Gesellschafter durchzusetzen und diese sogar finanziell daran zu beteiligen. Die nicht sanierungswilligen Gesellschafter werden sich in Zukunft also nicht mehr auf ihre fehlende Zustimmung zur Kapitalerhöhung beziehen können, sondern „zahlen oder ausscheiden“ müssen.
Die verdeckte Sacheinlage im neuen Gesellschaftsrecht
Die verdeckte Sacheinlage ist eine von der Rechtsprechung in jahrelanger Rechtsfortbildung entwickelte Rechtsfigur, um eine angemessene Rechtsfolge an die Umgehung der Sacheinlagevorschriften des Gesellschaftsrechts anzuknüpfen.
Bei einer verdeckten Sacheinlage vereinbaren die Gesellschafter bzw. Aktionäre formell eine Bareinlagepflicht, welche auch gegenüber dem Registergericht erklärt wird. Die Barschuld wird in einem ersten Schritt zwar eingezahlt, aber tatsächlich wird dieses Geld umgehend nach Eintragung der Bargründung bzw. der Kapitalerhöhung gegen ein Vermögensgegenstand eines Gesellschafters oder Aktionärs, häufig im Rahmen eines Kaufvertrages, ausgetauscht. Im Ergebnis verfügt die GmbH oder AG nur über Sachwerte. (Der Austausch der Bareinlage gegen Dienstleistungen stellt hingegen definitionsgemäß keine verdeckte Sacheinlage dar. Insoweit können Vergütungen an Gesellschaftergeschäftsführer oder Aktionärsvorstände ohne weiteres aus den Bareinlagen bezahlt werden.)
Die Rechtsprechung hat an den Tatbestand der verdeckten Sacheinlage zwei Rechtsfolgen geknüpft: Einerseits ist die Leistung der Bareinlage nicht befreiend, andererseits ist das Austauschgeschäft nichtig und rückabzuwickeln. Die Strenge dieser Rechtsfolgen stellte viele Gesellschafter vor große Problemen bei der Gesellschaftsgründung und nahm unter Umständen existenzgefährdende oder -vernichtende Ausmaße an.
Mit der Novelle des GmbH-Rechts (MoMiG, in Kraft getreten am 01.11.2008) und der Novelle des AG-Rechts (ARUG, in Kraft getreten am 01.09.2009) wurden Regelungen zur rechtlichen Behandlung der verdeckten Sacheinlage geschaffen (§ 19 Abs. 4 GmbHG und § 27 Abs. 3 AktG). In diesen Neuregelungen wird die von der Rechtsprechung entwickelte Definition der verdeckten Sacheinlage beibehalten, jedoch werden die Rechtsfolgen bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage merklich abgemildert. So ist das Austauschgeschäft nicht mehr nichtig, sondern rechtsgültig und braucht somit nicht rückabgewickelt zu werden.
Auch hinsichtlich der Bareinzahlungspflicht bestehen Unterschiede zur bisherigen Rechtsprechung: So war bisher die Bareinzahlungspflicht bei Vorliegen einer verdeckten Sacheinlage nicht erfüllt. Im neuen Recht ist sie grundsätzlich auch nicht erfüllt, jedoch nur bis zu dem Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Handelsregistereintragung oder der Überlassung des Einlagegegenstandes, wenn dieser zeitlich nach der Handelsregistereintragung liegt. Dabei wird der Wert der verdeckten Sacheinlage auf die offene Einlageschuld angerechnet. Entsprechen sich Wert der Sacheinlage und offene Einlageschuld, treffen den Gesellschafter nach neuem Recht keine negativen Konsequenzen. Nur wenn der Wert der Sacheinlage hinter dem der Einlageschuld zurückbleibt, trifft den Gesellschafter eine Haftung für den fehlenden Betrag.
Eine weitere Abmilderung der bisherigen Rechtsprechung wurde durch eine Rückwirkungsregelung geschaffen: Die gesetzlichen Regelungen zur verdeckten Sacheinlage sollen nicht erst auf Fälle nach Inkrafttreten der Gesetzesnovellen angewandt werden, sondern mitunter auch auf frühere Fälle: Immer dann, wenn nicht vor dem Inkrafttreten der Neuregelungen bereits ein rechtskräftiges Urteil ergangen ist oder eine wirksame Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern getroffen worden ist, sind die neuen Regelungen rückwirkend anzuwenden.
Mit diesen Reformen wurde ein erster Schritt zur Vereinfachung von Gesellschaftsgründungen gemacht. Es verbleibt die Hoffnung, dass es nicht der letzte sein wird.